Showdown in big Krankenhaus

Es war der 6. Januar 2014. Genau 6 Wochen und 3 Tage nach der Operation. Insgesamt 45 Tage hatte ich auf die Ergebnisse der externen Pathologie gewartet.

Ich hatte am 2. Januar kurzfristig einen Termin vereinbart da ich einen Tag zuvor die telefonische Nachricht bekommen hatte dass die Pathologie Ergebnisse vom externen Labor eingetroffen waren. Endlich.

Ich traf recht früh im Krankenhaus ein und musste entsprechend lange warten. Das gab mir noch mal die Möglichkeit alles Revue passieren zu lassen und mich auf das Gespräch vorzubereiten. Wie würde ich reagieren wenn er mir was schlimmes sagt? Muss ich sterben? Bekomme ich eine Chemo und fallen mir dann auch alle Haare aus, muss ich mich dann auch ständig übergeben? Was ist überhaupt eine Chemo? Was passiert mit meiner Familie wenn ich nicht mehr da bin? Wer kümmert sich um sie?

Alles Fragen auf die ich noch keine Antwort hatte. Aber gleich würde es ja zum langersehnten Showdown kommen.

Ihr müsst wissen, ich neige sehr leicht dazu immer zuerst das Negative zu sehen als das Positive. Ich bin mir bewusst, dass dies manchmal unangebracht ist und mit Sicherheit alles um einiges schwieriger macht. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung dass ich mich so auf negative Nachrichten, besser vorbereiten kann. Für mich ist es schlimmer wenn ich mir positive Gedanken und Hoffnungen mache aber dann eine negative Nachricht bekomme, als andersrum. Von Anfang an hatte ich mir das schlimmste ausgemalt und hoffte so, positiv überrascht zu werden.

Der Zeitpunkt war nun da, ich wurde hereingerufen. Ab hier zitiere ich aus dem Gedächtnis:

Das externe Pathologie Institut in Jena hat uns die Ergebnisse mitgeteilt. Es handelt sich um ein sogenanntes diffuses Neurofibrom. Es ist äußerst selten und die Chance sowas zu bekommen ist kleiner als ein 6er im Lotto zu treffen. Leider haben die Untersuchungen auch genau aus diesem Grund etwas länger gedauert.

Leider fehlen uns jegliche Erfahrungswerte was solche Tumore angeht und deshalb wird man sehr schnell operieren wollen damit sich im Laufe der Zeit nichts dramatisches entwickeln kann. Sie müssen wissen, ein Neurofibrom ist in der Regel 100% gutartig. Ein Neurosarkom dagegen, 100% bösartig. Da es sich in Ihrem Fall um ein diffuses Neurofibrom handelt, müssen Sie sich das so vorstellen als ob es 50% bösartig und 50% gutartig sei. Ein Neurofibrom kann aber recht schnell zum Neurosarkom mutieren; erst recht ein diffuses Neurofibrom.

Die externe Pathologie konnte uns genau definieren zu welchen Anteilen der Tumor gut- bzw. bösartig sei. Von den chemischen Färbungen her, ist es gutartig. Von den Strukturen her, äußerst bösartig.

Da wir nicht genau wissen wie sich der Tumor verhalten wird, werden Sie ab sofort alle 3 Monate anhand eines MRTs kontrolliert werden müssen. Nur so können wir gewährleisten dass der Tumor bzw. was davon noch im Bein schlummert, unter Beobachtung steht. Sollten wir feststellen dass die restlichen 10% die während der Operation im November nicht entfernt werden konnten, wächst, werden wir erneut schnellstmöglich operieren müssen.

Übrigens, dies erklärt auch die unerwarteten Schmerzen im Fußbereich in Kombination mit den von Ihnen beschriebenen Elektroschocks und Taubheit des Außenrandes. Durch die Operation haben wir Gewebe entfernt was direkt aus dem Nerv rausgewachsen ist. Für den Nerv, ist der Tumor ein Teil des Nervs und deshalb “beschwert” es sich massiv, da es “denkt” es würde ein Stück fehlen. Die massiven Schmerzen dabei sind, leider Gottes, völlig normal und können nur mit der Zeit abklingen.

Die Ummantelung des Nervs ist sozusagen beschädigt und muss sich vollständig regenerieren. Leider sind Schmerzen die durch eine Nervenschädigung verursacht werden, um einiges schlimmer als z. B. ein normaler Knochenbruch. Natürlich können wir mit Medikamenten einiges tun, aber Nerven brauchen leider zwischen 6 Monate und 1,5 Jahre um sich vollständig zu regenerieren. Das sollten Sie wissen und deshalb müssen Sie jetzt viel Geduld und Kraft aufbringen.

Lasst es mich so zusammenfassen… Es war keine positive und auch keine negative Nachricht. Zu dem Zeitpunkt war es meiner Meinung nach, überhaupt keine Nachricht.

Ich hatte versucht mich auf alles vorzubereiten aber auf die, von dem Gespräch an geltende Ungewissheit? Nein. Das war nicht das was ich mir vorgestellt hatte. Über eine positive Nachricht konnte man sich freuen und über eine negative Nachricht hatte man endlich Gewissheit und konnte sich entsprechend drauf einstellen. Aber was während es ganzen Gesprächs in meinem Schädel zu hören war, war nur “Sie müssen jetzt jeden Tag beten dass der Tumor nicht weiter wächst oder sich nicht in ein 100% bösartigen Tumor verwandelt”.

Ungewissheit und Angst pur.

Aber wie heißt es so schön? Lächle und sei froh, es könnte immer schlimmer kommen. Und ich lächelte und war froh – und es kam schlimmer.