Die Zeit danach

Die Zeit nach den Pathologie-Ergebnissen war voller Angst und Ungewissheit. Zum einen war die Sorge da was genau mit dem Tumor passieren würde, zum anderen hatte ich immer noch massive Schmerzen die weder ich noch die Ärzte zu 100% unter Kontrolle bekamen.

Meine Gefühlslage wurde immer dramatischer. Die Sorge um die Krankheit, die Sorgen um die Familie und trotz Zuspruch seitens der Kollegen, die bleibende Sorge um den Arbeitsplatz. Alles Faktoren die mich psychisch mehr und mehr fertig machten. Wie sollte ich das alles wieder in den Griff bekommen? Ich konnte aufgrund der Krankheit, selbst nichts mehr beeinflussen. Ich war voll und ganz den Umständen ausgeliefert. Wenn man es vorher gewohnt war auf so wenig Hilfe wie möglich angewiesen zu sein und möglichst alles selbst im Griff zu haben, ist es keine einfache Situation und ich tat mich extrem schwer mich damit abzufinden.

Es konnte definitiv nicht so weiter gehen. Wenigstens die Schmerzen musste ich doch auf irgendeine Art und Weise in den Griff bekommen. Ich beschloss deshalb aktiver zu werden und mich selbst um eine bessere Betreuung zu kümmern. Irgendwann hat mein behandelnder Chirurg vorgeschlagen ich soll es mit einer Schmerztherapeutin versuchen. Er sagte sie hätte, was Schmerzmittel und Medikamente allgemein angeht, ganz andere Möglichkeiten als er. Er wäre gesetzlich leider an sein monatliches Budget pro Patient gebunden, was eine effektive Behandlung doch sehr einschränken würde.

Zu dem Zeitpunkt lernte ich meine jetzige Schmerztherapeutin Frau Dr. med. Irmgard Frickenschmidt kennen. Ihre erste Handlung war sozusagen eine Neudosierung der Medikamente zu verordnen. Die ersten Wochen waren, obwohl ich mittlerweile eigentlich an die Wirkstoffe gewöhnt war, extrem anstrengend. Ich war ständig müde und konnte nur noch schlafen. Ich erinnere mich an Gespräche mit verschiedenen Kollegen im Büro die, wenn man mich und meine Situation nicht kennen würde, dazu führen könnten dass man sich wahrscheinlich gefragt hätte ob ich auf Drogen sei. Und tatsächlich, ich war auf Drogen, auf legale medizinische Drogen. Zumindest fühlten sich mein Kopf und mein Körper teilweise so an. Irgendwann fragten mich die Kollegen direkt wenn ich anrief, ob ich aufnahmefähig sei. Teilweise war es lustig, teilweise hat es mich schon sehr “runtergezogen” wenn ich mich 2-3 Stunden später kaum an die Gespräche erinnern konnte.

Irgendwann war die Eingewöhnungszeit vorbei und ich konnte ausdrücklich eine Besserung in den Ruheschmerzen feststellen. Nichtsdestotrotz wollte ich mich nicht mit der Aussage “Es dauert 6 Monate bis 1,5 Jahre bis ein beschädigter Nerv sich regeneriert.” und den immer noch vorhandenen Belastungsschmerzen abfinden und begann Monate später meinen behandelnden Chirurgen zu hinterfragen was man denn noch tun könne. Mittlerweile waren ca. 6 Monate vergangen und es war nicht normal, dass ich meine Ferse immer noch nicht belasten konnte. Sobald dies geschah, bekam ich weiterhin einen dermassen starken Elektroschock im Fuß der mich verzweifeln ließ.

Zum Glück war er genau meiner Meinung. Eventuell war der Tumor wieder gewachsen oder der Befund hatte sich verschlechtert sodass jetzt ein zu 100% bösartiger Tumor vorhanden war? Man durfte natürlich auch nicht vergessen, dass immer noch 10% des Tumors im Bein waren und alles Mögliche hätte passieren können. Ihr merkt es schon, meine negative Denkweise spielte damals schon eine große Rolle. Aber wer konnte mir das verdenken? Schliesslich hatte ich immer noch Resttumor in meinem Körper und nach der Diagnose dass selbst hochqualifizierte Ärzte keine Erfahrungswerte habe und nicht genau wisse wie man sich verhalten sollte, blieb mir nichts anderes übrig als so negativ zu denken.

Und irgendwann kam der Tag an dem er mir das Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum vorschlug. Er beschrieb es als “Klinik in der Dinge gemacht und behandelt werden die deutschlandweit sonst in keiner anderen normalen Klinik behandelt werden können.”. Und in der Tat, nach meinem ersten Besuch dort, konnte ich mich genau davon überzeugen. So beschreibt sich das Bergmannseil auf der eigenen Internetseite selbst:

Die Versorgung von Unfallverletzten, Tumorerkrankten und Brandopfern sind die Kernkompetenzen der Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte. Sie ist zugleich Handchirurgiezentrum und operatives Referenzzentrum für Gliedmaßentumoren. Sowohl im nationalen als auch im internationalen Umfeld zählt sie zu den führenden Spezialkliniken.

Ich dachte also, warum nicht! Ich begann mit meiner Sachbearbeiterin bei der AOK Rheinland alles zu klären damit ich schnellstmöglich dort einen Termin bekam. Ich wollte aktiv werden und nicht immer darauf warten, dass Andere entscheiden was am besten für mich sei. Die Krankenkasse hat sich zwar ein wenig quer gestellt aber es war mir egal.

Leider zahlt die Krankenkasse nur bis zur nächsten Behandlungsmöglichkeit. Das heisst im konkreten dass die Fahrkosten bis Bochum, Ihnen nicht erstatten werden können. Die Behandlung zahlen wir selbstverständlich aber alles andere, ist Ihnen überlassen. Auch wenn ich Ihnen gerne etwas anderes mitteilen würde, sind mir hier leider die Hände gebunden.

Ich muss ganz ehrlich sagen mit meiner Sachbearbeiterin, habe ich zu 100% nur positive Erfahrungen gemacht. Wir haben, aus meiner eigenen Initiative heraus, ca. alle 14 Tage telefoniert wo ich sie auf den neuesten Stand brachte wie die Behandlung steht und was als nächstes geplant war. Sie zeigte sich jedes Mal sehr hilfsbereit und gab mir immer wieder Tipps was ich noch versuchen könnte oder wie ich mich verhalten sollte.

Natürlich hört man von Bekannten oder Freunden vieles dass unter ähnlichen Umständen die Krankenkassen, einen “unter Druck” setzen oder zu einem zusätzlichen Problem werden können. In meinem Fall muss ich ehrlich eingestehen; ich habe, außer den ohnehin gesetzlich geregelten Umständen auf die man sowieso immer schimpfen kann, keinen eigentlichen Grund zur Beschwerde.

Ich beschloss dass wenn es meiner Gesundheit hilft, es mir definitiv wert ist die Kosten selbst zu tragen. Also vereinbarte ich für den 9. Juli 2014 einen Termin in Bochum. Was aber an diesem Tag alles passieren sollte, das konnte kein Mensch erahnen.